Das Wie bleibt

Cover Podium

Wie soll ich jetzt meine Seele waschen mit meiner Weigerung, Masken zu tragen, wie das Kind zurückholen, das sich die Lektionen des Sandes einprägte und seinen Finger wie eine Stecknadel in jede Blase stach, damit ich mit entspanntem Gesicht und beruhigtem Herzen schlafen und mir für jeden Schlaf einen Traum aussuchen kann?

Es war meine Absicht,
die Seele mit der Wärme des Wassers zu waschen,
doch das war eiskalt.
Und dennoch tat ich es.
Vielleicht wollte ich,
dass mein Schatten mir gleich wird.
Vergeblich.

Es war meine Absicht,
die Tausenden Masken zu verweigern,
die mir all diese Hände anboten,
damit ich am Karneval teilnehme.
Immer, wenn ich eine verweigert hatte,
trug ich eine neue Maske der Verweigerung,
während ich den Kopf schüttelte
und die Hände verbarg.

Es war meine Absicht,
dass mir das Kind meiner Erinnerung
das Lachen von Neuem beibringt
und mich lehrt,
die Leute mit dornigen Fragen zu bewerfen.
Doch insgeheim hatte ich mich
der Erwachsenenvernunft verschworen.

Es war meine Absicht,
alle Blasen platzen zu lassen,
von denen die Menschen umgeben waren,
sowohl die sich bewegenden als auch die ruhenden.
Doch das Knallen außerhalb der Sylvesterzeit
hätte erschreckt, und das wäre
ein Vergehen gegen die Stille gewesen.

Es war meine Absicht,
Fragen zu stellen,
Fragen wie Sandburgen am Strand
oder wie Schneemänner,
die man immer wieder aufbaut.
Doch dann überzeugten sie mich,
besser Fragen aus Eisen zu stellen.
Mein Erschrecken, als sie dann verrosteten,
kümmerte sie nicht.

Es war meine Absicht, …
Es war meine Absicht, …

Siebenunddreißig Jahre in einem Meer von Absichten,
die alle verwelkten wie Herbstlaub,
glänzend, brüchig
und kurz vor dem Herabfallen,
das von der Zeit befohlen
oder vom Wind beschleunigt wurde.

Und das Wie bleibt.

Wien, 09.01.2002

Erschienen in Podium. Nr. 123/124, April 2002, St. Pölten.