Zwischen den Zeilen

Literatur im Zwischenraum - Ergebnis einer offenen Begegnung
zwischen Welten in Afrika und Europa.
Harald Pichlhöfer – 19.01.2000

Tarek Eltayeb ist als Schriftsteller längst kein Unbekannter mehr. Seine literarischen Arbeiten erscheinen seit Jahren in Zeitschriften in London, Paris und der arabischen Welt. Bloß in Österreich, wo er seit 1984 lebt, ist er noch weitgehend unbekannt. Um so begrüßenswerter ist die verlegerische Initiative der edition selene, diesen Autor nun auch der deutschsprachigen Leserschaft zugänglich zu machen.

Geboren 1959 in Kairo, zählt der Sohn sudanesischer Eltern heute zu den vielversprechendsten AutorInnen, die zur Zeit in Österreich leben. Die meisten seiner Werke, wie der Roman Mudun bila Nakhil ("Städte ohne Dattelpalmen", Köln 1992) oder der Kurzgeschichtenband Udhukuru Mahasin ("Erinnert Euch an Mahasin...", Kairo 1998) sind in arabischer Sprache erschienen. Jüngst wurde sein erster Roman ins Französische übersetzt, und nun gibt es endlich auch einen Band in deutscher und arabischer Sprache. Diese erlesene Sammlung von Gedichten und Kurzgeschichten mit dem Titel "Ein mit Tauben und Gurren gefüllter Koffer" ist schlicht beeindruckend.

Es gelingt Tarek Eltayeb, zwischen den Zeilen zu schreiben. In seiner Lyrik erweist sich Eltayeb als Meister der Einfachheit. Seine Prosa ist eine dichterische. In "Risse eines Ortes" wird die Begegnung des Autors mit Wien als einer fremden Umgebung deutlich. Das Interessante dabei ist, dass er das Fremde bei und in sich entdeckt. In einer Stadt, von der behauptet wird, sie sei anders. Eltayeb erspürt die Zwischenräume dieser Stadtbilder, in deren Rissen auch eine vorsichtige Annäherung erkennbar wird. Es sind vor allem fragmentarische Bilder, welche Risse aufweisen. Diese spiegeln sich in der Lyrik Eltayebs wider, in der diese unvorhergesehenen Wechsel und Übergänge überraschende Einsichten gewährleisten.

Erinnerung, die nach vorn gerichtet ist

Wenn sich "das Tor neigt", neigt sich mit ihm der Dichter und die Gedanken schwärmen aus. Tarek Eltayeb ist ein Meister der feinen Beobachtung. Ein kleiner Zigarettenladen mit eigenen Geschäftspraktiken behauptet sich gegen die Reklame, mit der er über und über zugeklebt ist. Davor spielt sich das wirkliche Leben ab und zwar anders. Köstlich auch die Kurzgeschichten an einem Kiosk an der Straßenbahnhaltestelle, die eine Begegnung des Autors mit einem fetten Wurstesser schildert, oder jene vom österreichischen Ehepaar, welches sich täglich aufs Neue verheiratet und mit denen der Autor einen über den Durst trinkt.

In seinem "afrikanischen Haus" hängt die Ruhe zwischen den Rissen der Wand, zusammen mit den Augen, die die Welt von einer anderen Seite sehen. Eltayeb weiß von Häusern zu berichten, die uns einholen, von einer Tasse Tee mit Minze und von den Sternen, die das Herz und die Stimme eines sanftmütigen Kindes schwer machten. Wie "in einer engen Gasse", lächelt der Dichter über die Mühsal des Wegs, den er zu gehen hat. Begegnungen, wie jene in der "Mitte des Wegs", oder jene im Kaffeehaus, wo das Gegenüber versucht, das Wasser wieder aus dem Kaffee zu bekommen sind dichte Momentaufnahmen, die auch noch nach dem Lesen lange nachklingen.

Je nachdem, in welcher Sprache LeserInnen beginnen, offenbaren sich die Texte zuerst in arabischer oder in deutscher Sprache. Die Übersetzungen sind mit großer Einfühlsamkeit erfolgt und offenbaren auch die dichterischen Qualitäten der Übersetzerin bzw. des Übersetzers.

Ein Tipp für deutschsprachige LeserInnen, die gerade Arabisch lernen: Dass Café aus dem Arabischen kommt, dürfte nicht wirklich neu sein - wie Café Griensteidl oder Café Sperl in Arabisch geschrieben werden, dafür schon. Beides finden Sie in diesem Band.