Dem Dunkel abgelauscht

Aus dem Teppich meiner Schatten von Tarek Eltayeb.
Harald Pichlhöfer, dieUniversitaet.at - Culture Club – 08.07.2002

Poesie, hat Hans Magnus Enzensberger einmal gesagt, tradiert Zukunft: "Im Angesicht des gegenwärtig Installierten erinnert sie an das Selbstverständliche, das unwirklich ist." Sie spräche nicht über die Zukunft, aber doch so, als ob diese möglich sei. In seinem zweiten auf Deutsch erschienenen Lyrikband webt Tarek Eltayeb die verschiedenen Farben und Töne dieser selbstverständlichen Schattenbilder einer Existenz zu einem lyrischen Teppich.

Bei näherer Betrachtung ergeben sich daraus aber auch neue Interpretationsmöglichkeiten für eine Welt, wie sie sein könnte, wenn nicht nur die Erscheinungen, sondern auch die Schatten wahrgenommen würden - als das, was sie auch sein können, z. B. Projektionsfläche für Illusionen, Schlüssel zur Erkenntnis, Grauzonen der Angst und Gefahr, Refugien heimlicher Begierden und zarter Leidenschaften, Orte des Dösens oder der Agonie, oder einfach nur Trostspender in der Hitze des täglichen Gefechtes.

Formal ist dieser Band ebenfalls recht unterschiedlich gestaltet. Gedichte (acht davon in Arabisch), Kurzprosa, Aphorismen und Zeichnungen des Autors sind darin zu finden. Allen gemeinsam ist, dass sie um den Topos des Schattens kreisen. Es scheint, als ob bei Tarek Eltayeb die Worte den Schatten vor der brütenden Hitze der Literatur suchen. Es gelingt ihm dabei durch eine strenge Schlichtheit seiner Poesie jene Schatten auszuloten, welche die Zukunft in die Gegenwart zurückwirft, ohne sie dabei gänzlich aufzulösen. Dass die Lektüre der Texte dabei so spannend bleibt, weist ihn als Meister aus. Übersetzt wurde der Band von einer Alumna der Universität Wien, Ursula Eltayeb.